Galerie MAERZ
11. September - 11. Oktober 2019
Eine Sammlung von Architekturmodellen seit ca. 1980 bis dato,
diverse Materialien (Wachs, Gummi, Plastik, Keramik, Glas, Metall, Holz, Marmor) und Größen.
Meine Vorliebe für Architekturmodelle, deren ich einige für Projekte auch selbst gebaut habe, stellt - zumeist auf Reisen - einen wichtigen Fokus bei Erkundungsgängen durch die Stadt und deren Flohmärkte dar. So sammle ich seit Jahrzehnten Architekturikonen mit einer zweiten „nützlichen“ Funktion. Diese zumeist als Souvenir in unterschiedlichen Größen und Materialien konzipierten Mitbringsel scheinen in ihrer Gebrauchsfähigkeit einen Mehrwert darzustellen, der als Kaufanreiz dienen und die Minderwertigkeit von reinem Nippes durch Alltagstauglichkeit umgehen soll. Bei der Auswahl der Architekturmodelle wird besonders auf die Schlüssigkeit von Form und Funktion geachtet: so genügt die reine Anwesenheit eines schönen Modelles ohne das Angebot eines weiteren Zweckes nicht, und selbst als Briefbeschwerer muss das Modell schon sehr viel können, um erworben zu werden.
Form follows function. (Louis Sullivan)
Oder kehrt sich das Diktum von Louis Sullivan um und es folgt die Funktion der Form? Viele der Architekturikonen bieten sich durch ihre Gestalt für einen nützlichen Gebrauch an. So lässt sich z. B. im Inneren des Schiefen Turms von Pisa sehr gut eine Glühlampe unterbringen, und die Blechversion birgt lokales Olivenöl für den sicheren Transport. Griechischer Ouzo kleidet sich gerne als antiker Tempel und schwülstiges Parfum als Minarett und Moschee. Die Stierkampfarena von Ronda verlangt aufgrund ihrer runden Form geradezu nach ihrem Einsatz als Keksdose. Der Kölner Dom eröffnet durch seinen opulenten Innenraum die Möglichkeit zum Einbau einer Spieluhr oder fungiert als Schmuckkästchen, wird aber auch ziemlich beliebig als Schlüsselanhänger und Aschenbecher eingesetzt. In diesem relativ oberflächlichen Sinne dient die Freiheitsstatue von New York als Uhr, Raumthermometer, Glocke und schmückendes Beiwerk für ein Raucherset, an dem noch die Türme des World Trade Center stehen. Das Empire State Building bereichert die Sammlung als verschiedenfarbige Radiergummis und zweimal als Kerze (davon eine durch Sonneneinwirkung fast dahingeschmolzen). Auch die Funktion des Pariser Eiffelturms als Lampe, Schlüsselanhänger, Keks-Ausstechform, und Kreisel scheint nicht unbedingt schlüssig durch seine Form definiert, wird aber sinnvoll assistiert vom Arc de Triomphe als Feuerzeug und Aschenbecher. Als ironisches Highlight und genial zu nennendes Berliner Souvenir mag wohl der ehemalige DDR-Palast der Republik dienen, der sein Schicksal als papierener Abriss-Block modellhaft in Erinnerung ruft.
NWH 2019